Nakpa Karma Lhundup Rinpoche

Interview mit Gentle Voice

Dieses Interview kann in der PDF Version Gentle Voice hier auf der Intent Webseite Siddhartas gefunden werden.

Ngakpa Karma Lhundup Rinpoche wurde 1959 in der oberen Mustang Gegend, einem Gebiet geheiligt durch Guru Padmasambhava, geboren. Kurz nach seiner Geburt öffnete seine Mutter einen, mit traditionellem "Geburtstags Bier" gefüllten, verschlossenen Tonkrug und eine lodernde Flamme entsprang dem Gefäß .Dies wurde dahingehend gedeutet, dass das Kind die Wiedergeburt eines mächtigen Yogi bedeuten könne. Seine Eltern und viele Nonnen erzogen ihn mit viel Liebe und Aufmerksamkeit und im Jahr 1965 wurde der Rinpoche in eine Schule für Tibetische Flüchtlingskinder in Dharamsala, eingeschrieben, die geleitet wurde durch Jetsün Pema, der jüngeren Schwester Seiner Heiligkeit des Dalai Lama. Der Rinpoche spricht zu Gentle Voice über das Auf und Ab, das sein Leben bestimmt hat.

Nachdem Sie Ihr Vorstudium abgeschlossen hatten, besuchten sie die Universität. Aber dann beendeten Sie das Studium an der Universität und bemühten sich um eine Anstellung am Holy Family Hospital in New Delhi.

Der Grund warum ich die Universität kurzfristig verlassen habe war, dass ich dachte es würde eine Menge zu studieren geben, wie an den Schulen davor, aber ich fand heraus, dass nichts passierte für die Hälfte des Jahres. Damals gab es auch einige Streiks in Indien, einmal begannen einige Köche Chapatties auf Gasöfen zuzubereiten statt mit dem herkömmlichen Holzfeuer, also gab es einen Streik für einige Tage wegen dieser Sache. Ich fand das Leben dort ziemlich nutzlos und so entschied ich etwas Sinnvolles zu tun.

So Sie begannen im Holy Family Hospital und absolvierten ein zwei jähriges Studium mit Diplomabschluss in medizinischer Labortechnik, Rinpoche?

Ja, ich ging dorthin nachdem ich vor dem Abschluss des Vorstudiums in einer Schule für Waisenkinder als Assistent der Schwestern in der Krankenstation gearbeitet habe. So begann ich mich für den Pflegeberuf zu interessieren und wandte mich an das Hospital um zu sehen ob ich Zugang zu einer Pflegeaus-bildung erhalten würde. Aber zu dieser Zeit gab es in ganz Indien keine männ-lichen Pfleger. Sie sagten, wenn ich medizinische Labortechnik lernen möchte, würde es am nächsten Tag ein Interview geben. So erschien ich und wurde auf eine seltsame Art ausgewählt: Dort waren fünf Interviewer und vier von ihnen sagten; "Nicht dieser Junge, er wird nur einige Monate hier verbringen und uns dann verlassen." Aber eine christliche Nonne namens Dr. Fernandez antwortete, "Ja, er wurde uns von Jesus Christus geschickt." Letzten Endes setzte sie sich damit durch.

Ich blieb dort und widmete mich den Aufgaben in allem was ich tat und wurde mit Auszeichnungen belohnt. Ich war nie ein Musterschüler bezüglich Stipendien aber ich war immer Pragmatiker. Als ich das Hospital verließ, vergossen einige der Inder Tränen. Gewöhnlich weinen Inder nicht für Tibeter!

Während dieser Zeit interessierte ich mich auch sehr für die christliche Lehre und studierte die Bibel extensiv mit Katholiken, mit Methodisten und Zeugen Jehovas. Ich nahm auch an der Kommunion teil, ohne jedoch die heiligen Sakramente zu empfangen.

Sie verließen also das Hospital und entschieden sich Tantra zu studieren?

Es gab da einige Gründe warum ich dies tat. Der Hauptgrund ist, mein Vater ist ein tantrischer Meister, ein Meister der Begräbnis Riten (Bardo Thodol) und es ist die Verpflichtung des ältesten Sohnes diese Verantwortung zu übernehmen und weiterzuführen. Der zweite Grund war, dass die Schwester Seiner Heiligkeit des Dalai Lama, Jetsün Pema mich jedes Jahr besuchte, und einmal zu mir sagte: "Karma-la, du siehst wie ein Inder aus, nicht mehr wie ein Tibeter." Jetsün Pema gründete die tibetische Schule für Flüchtlingskinder in Dharamsala in der ich studierte. Nachdem ich ein Schüler der ersten Generation war, die dort gradu-ierten, hatte sie immer ein sehr weiches Herz für mich und wollte wissen welche Fortschritte ich machte. Nun, das beschleunigte wirklich meine Entscheidung. Der dritte Grund war, dass ich begann weiße Flecken auf meiner Haut zu be-kommen von all dem Formaldehyd und den Ammoniak Giften durch die Be-schäftigung in der Pathologie.

Sie sagten, dass Ihr Vater ein tantrischer Meister sei. Das tibetische Wort Ngakpa bedeutet ein "Tantra Praktizierender". Könnten Sie dazu etwas sagen?

Ngak bedeutet wörtlich Mantra und pa ist die Person die diese geheimen Riten praktiziert. Aber wenn wir das Wort Ngakpa verwenden haben viele Tibeter die Vorstellung von einer Person die Regen machen kann, Hagel abwendet, Geister beschwören und alle bösen Dämonen verjagen kann. Das ist nur eine Vorstellung und es ist sehr schade dass einige Tibeter sich nicht vorstellen können dass Ngakpas auch den erleuchtenden Pfad des Dzogchen praktizieren. Ich habe auch gehört, dass die Menschen in der Mongolei sich sogar vor dem Wort Ngakpa fürchten, denn es scheint, dass die Ngakpas dort mit schwarzer Magie gewirkt haben. Deswegen sind Menschen sehr vorsichtig mit Ngakpas.

Die Gruppe Ngakpas zu denen ich gehöre sind aus der Mt. Everest Region, die meisten sind Schüler des Kyabje Trülshik Rinpoche. Einer meiner eigenen Lamas war sogar der Schüler von einem von Kyabje Trülshik Rinpoches Lamas mit dem Namen Nwagang Tenzin Norbu. Nwagang Tenzin Norbu war wirklich der leitende Lama der Menschen um den Mt. Everest auf beiden Seiten der tibetischen und der nepalesischen. Beide, Kyabje Trülshik Rinpoche und Nwagang Tenzin Norbu gehören der "Mindroling" Tradition an, obgleich sie "Nördliche Kostbarkeiten" auch praktizieren.

Über die nächsten sieben Jahre studierten Sie im Kloster Zilnon Kagyeling und absolvierten eine drei Jahre dauernde Klausur die in der Herkunft auf Seine Heiligkeit dem Großen Fünften Dalai Lama zurückreichte. Dann im Jahr 1994 gaben Sie das Klosterleben auf?

Ja ein Grund war dass mein Lama verstarb. Aber auch die Politik in diesem Kloster machte mich wirklich richtig krank. Ich war der Einzige der lesen, schreiben und englisch sprechen konnte und so wurden mir vom Kloster alle möglichen Verantwortungen übertragen, die Verwaltung der Sponsoren, die Buchführung und die Kasse. Mein wichtigstes Bestreben war es, mich dem Dharma zuzuwenden und trotzdem endete es damit, dass keine Zeit für die Dharma Studien übrig blieb, deshalb verabschiedete ich mich vom Kloster.

Dann reisten Sie zu all den heiligen Höhlen des Guru Padmasambhava?

Ja, vielleicht bin ich ja spezialisiert in heilige Höhlen! Ich ging zu allen Höhlen des Guru Padmasambhava, Yeshe Tsogyal, Machig Labdron und Milarepa. Ich machte Pilgerreisen zu allen heiligen Höhlen in Tibet, Bhutan, Sikkim, Ladakh, Nepal und Indien. Sogar als ich nach Deutschland kam besuchte ich unter-irdische Höhlen die sich über eineinhalb Kilometer hinzogen!

Es ist wirklich ungewöhnlich für Rinpoches so spät im Leben anerkannt zu werden, aber Sie wurden im Jahr 2000 bestätigt?

Ja, ich wurde damit wirklich überrascht, insbesondere weil ich irgendwann in meinem Leben der Idee der Wiedergeburt sehr kritisch gegenüberstand. Und dann erkannte mich ein Lama als einen Yogi oder Mahashiddha - es war ein seltsames Gefühl! Der Mahasiddha war bekannt als Wariktsel Thokme und er war einer der wichtigsten Schüler eines der wildesten Yogis, Do Khyentse Yeshe Dorje, welcher die körperliche Reinkarnation des allwissenden Jigme Lingpa darstellt. In einem von Tulku Thondups Büchern kann man sehen wie Wariktsel Thokme den Do Khyentse Yeshe Dorje in den Fluss stößt, um dann am Ende gemeinsam auf dem gleichen Pferd zu reiten.

Augenscheinlich wurde ich erkannt durch den Tulku von Do Khyentse Yeshe Dorje, der in Tibet lebt und welcher seinerseits international anerkannt wurde durch Seine Heiligkeit Dalai Lama, Dodrupchen Rinpoche und Seiner Heiligkeit Penor Rinpoche, "vielleicht ist es ja doch kein Missverständnis".

Möchten Sie zum Abschluss noch etwas sagen, Rinpoche?

Als ich diesmal nach Australien kam musste ich wieder meine Visa Formalitäten ausfüllen. In der Vergangenheit habe ich immer "Priester. Lehrmeister der Meditation" niedergeschrieben, diesmal aber habe ich mich als "Sozialarbeiter" eingetragen. Während einer seiner jährlichen religiösen Vorträge sagte Seine Heiligkeit der Dalai Lama; "Nun ist es höchste Zeit, dass wir Tibeter, insbe-sondere Mönche, Nonnen und Sangha, anstatt nur über die buddhistische Praxis zu sprechen, sie anwenden. Wir sollten wirklich aktiv damit beginnen etwas für andere zu tun." So entschied ich mich, zumindest in meiner Gemeinde, damit zu beginnen etwas Nützliches zu tun. Ich begann als Brücke zwischen dem Westen und dem fernen Osten zu wirken. Ich glaube der Osten braucht materiellen Reichtum, der Westen benötigt spirituellen Reichtum, nun wir könnten uns gegenseitig ergänzen.

Bis jetzt habe ich durch die Hilfe von Pantha Blazely und Judy Arpana, die jedes Jahr Pilgerreisen aus Australien führen, Sponsoren für über 100 Nonnen und alte Personen in Tso Pema gefunden. Die meisten Sponsoren sind Australier. Außerdem, glaube ich, war es mir möglich Sponsoren für mindestens 300 tibetische Kinder zu finden. Ich habe mich auch aktiv für die tibetische Frauen Organisation in Dharamsala, eingesetzt, in ihren Bemühungen finanzielle Unterstützung für ein Büro und einen Versammlungsraum sicherzustellen. Weiterhin war ich auch beteiligt dem tibetischen Tagesschulheim sowie dem tibetischen Kindergarten in McLeod Ganj zu helfen. Dann im letzten Jahr startete ich ein Programm für herrenlose Hunde in Dharamsala mit regel-mäßigen Fütterungen, mit der Sterilisation für männliche und weibliche Hunde, den nötigen Impfungen und einem dringenden Appell an tibetische Mitbürger die Hunde nicht anzuketten oder, wenn nötig, nur an einer langen Leine. Nun hier bin ich auf eine nützliche Art aktiv beteiligt

In Asien sind die meisten Menschen für nahezu ihr ganzes Leben damit beschäftigt mehr Lebensmittel, bessere Kleidung, eine anständige Wohnung sicherzustellen. Aber im Westen sehe ich, dass sie das alles schon erreicht haben. So, nun ist es an der Zeit einige der inneren Qualitäten zu entwickeln. Die Qualitäten sind vorhanden, sie müssen nur gepflegt werden.